Die Formel 1 hat sich innerhalb weniger Jahre von einem reinen Sport- zu einem umfassenden Entertainment-Event gewandelt, das längst nicht mehr nur typische Motorsportfans anspricht. Wie ist diese Transformation passiert? Peter Bayer: Das hängt einerseits mit Liberty Media zusammen, die die Formel 1 2017 gekauft und komplett überarbeitet hat. Der ganz große Katalysator für die Entwicklung war aber ganz klar Netflix mit „Drive to Survive“. Die Dokumentation hat die Formel 1 wirklich in jeden Haushalt gebracht. Das ist Sport mit Drama, mit Glamour, das hat etwas von einer Seifenoper, gleichzeitig ist es auch gefährlich und einfach spannend. Und dann wurde das Produkt selbst komplett überarbeitet mit einem neuen technischen Reglement, das das Rennfahren enger, spannender macht. Die USA, die lange keine Rolle gespielt haben, wurden als Markt entdeckt, gleichzeitig haben wir die Events selbst massiv aufgepolstert mit Partys, Konzerten, Flugshows etc. Sport und Musik sind zwei global verständliche Sprachen, deshalb ist die Kombination von beiden so spannend. Andrew Hourmont hat das damals mit dem Air & Style als einer der Ersten gemacht, und die Formel 1 hat das wirklich perfektioniert.
Gab es Befürchtungen, mit den Veränderungen auch einen Teil der Fans zu verlieren? Ganz klar, ja. Man kann das auch verfolgen, wenn man sich die diversen Internetforen anschaut, da gibt es wirklich Schlagabtausche zwischen den Purist:innen, die genau wissen, welche Rennzeit Ayrton Senna 1990 in Monaco gefahren ist, und jüngeren Fans, für die das überhaupt keine Relevanz hat. Mit dem Relaunch hat man sicher einige Fans verloren, aber dafür vielfach Neue dazugewonnen. In den USA hat jeder zweite Fan die Formel 1 innerhalb der letzten drei Jahre entdeckt und wir haben dort nach wie vor zweistellige Wachstumsraten bei den jungen Frauen unter 30. Das ist eine Kernzielgruppe mit enormem Potenzial, aber natürlich versucht man, die Balance zu halten und klassische Strecken wie Monza oder Suzuka zu behalten, weil die für die Fans wichtig sind.
Ist so ein umfassender Weiterentwicklungsprozess notwendig, um die Zukunft von großen Sportevents oder vielleicht sogar ganzer Sportarten zu sichern? Hundertprozentig, ja. Wenn man nicht gerade König Fußball ist, muss man sich als Sport laufend damit auseinandersetzen, wie man attraktiv bleibt.
Kann die Formel 1 hier als Vorbild dienen? Wenn man sich anschaut, wie viele Sportarten jetzt eine Netflix-Dokumentation haben, kann man sicherlich sagen, dass die Formel 1 im Storytelling eine klare Vorbildfunktion hat. Aber auch andere Sportarten sind da interessant, man befruchtet sich gegenseitig. Wir überlegen uns beispielsweise gerade alle, wie wir die Drohnenkameras, die man von Skirennen kennt, in der Formel 1 einsetzen kann, ohne dass es gefährlich ist. Aber am Ende des Tages geht es immer um das Fanerlebnis, und da setzt die Formel 1 schon wahnsinnig hohe Maßstäbe.