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12. Juni 2025

Sterneklassifizierung ade?

Sterneklassifizierung ade?

Bei der Wahl eines Hotels spielen mittlerweile nicht nur mehr Sterne eine Rolle.
© Shutterstock

Die fünfteilige Sterneklassifizierung gilt seit Jahrzehnten als Orientierungshilfe für Gäste bei der Wahl eines Hotels. Mit der wachsenden Bedeutung von Online-Plattformen, veränderten individuellen Reisebedürfnissen und neuen Maßstäben stellt sich aber die Frage: Sind Hotelsterne heute noch so relevant wie früher? Markus Gratzer, Generalsekretär der Österreichischen Hotelvereinigung (ÖHV), Barbara Winkler, Tiroler Landesvorsitzende der ÖHV und Alois Rainer, Spartenobmann für Tourismus, geben Einblicke in den aktuellen Wandel und zeigen auf, wohin die Reise geht.

„Die Sterneklassifizierung hat in Österreich nach wie vor eine gewisse Relevanz – gerade auch, um sich international vergleichbar zu machen“, erklärt Gratzer. Gleichzeitig beobachte man jedoch deutlich, dass ihre Bedeutung insgesamt abnehme. Das liege vor allem daran, dass sich die Erwartungen der Gäste heute schneller und dynamischer entwickeln, als es die klassische Sterneklassifizierung könne. Zudem seien manche Kriterien manchmal zu starr. „Vorschriften wie ein Telefon oder ein zweiter Papierkorb im Zimmer wirken wie aus der Zeit gefallen. Das sind Anforderungen, die heute für viele Gäste einfach keine Relevanz mehr haben“, so der ÖHV-Generalsekretär.

Neue Maßstäbe

Zunehmend wichtiger bei der Entscheidungsfindung sind für viele Reisende vor allem Online-Bewertungen – eine Entwicklung, die Winkler aus ihrem Betrieb bestätigen kann. „Online-Bewertungen haben klar eine sehr hohe Relevanz für Gäste.“ Allerdings sei ihre Bedeutung über die Jahre auch weniger geworden – Stichwort Fake-Bewertungen. „Sternebewertungen hingegen geben dem Gast eine Sicherheit in Bezug auf Qualität, Service und Ausstattung“, ist sie sich sicher.  

In Zukunft werden, so die ÖHV-Landesvorsitzende, auch neue Arten der Klassifizierung an Bedeutung gewinnen, wie etwa das Österreichische Umweltzeichen oder das europaweite Eco-Label. „Wir erleben im Hotel, dass diese Klassifizierung gerade für die jüngere Generation immer wichtiger wird“, schildert Winkler.

Eigenmarke statt Sterne

Nicht nur das veränderte Gästeverhalten, sondern auch strategische Überlegungen können dazu führen, dass die Sterneklassifizierung an Bedeutung verliert. Winkler etwa hat bei einem ihrer beiden Häuser bewusst auf die Sterne-Klassifizierung verzichtet: „Unsere Lodge richtet sich in erster Linie an die Incentive- und Seminarreisebranche. Dort würden wir mit einer Sterneklassifizierung bei vielen Buchungsanfragen automatisch durchs Raster fallen – aufgrund firmeninterner Preis- und Kategorieregeln.“

Bei großen Betrieben stehen häufig auch Marketingüberlegungen im Vordergrund, weiß Gratzer. „Hotels wie etwa das Motel One setzen auf eine starke Eigenmarke mit einem klaren, durchgängigen Konzept. In solchen Fällen ist das eigene Qualitätsversprechen oft wirksamer als eine externe Klassifizierung. Die Gäste wissen ganz genau, was sie beispielsweise in einem Motel One erwartet.“ 

Das Beste aus beiden Welten 

Dass sich subjektive Bewertungen und objektive Standards aber nicht ausschließen müssen, zeigt ein Blick in die Tiroler Gastronomie: Dort koexistieren klassische Bewertungssysteme wie der Guide Michelin oder der Gault Millau mit digitalen Gästerezensionen, Social-Media-Empfehlungen und Influencer:innen-Posts. Für Alois Rainer, Spartenobmann für Tourismus, zeichnet sich hier ein klarer Trend ab: „Künftig wird sich ein hybrides Bewertungssystem durchsetzen – eine Kombination aus professionellen Kritiken und personalisierten, digitalen Einschätzungen wird den Entscheidungsprozess der Gäste maßgeblich beeinflussen.“

Auch KI-gestützte Empfehlungen, die auf Nutzer:innenprofilen und aggregierten Online-Bewertungen basieren, könnten eine neue Form der Restaurantkritik entstehen lassen, so Rainer. Dass etablierte Bewertungssysteme wie der Guide Michelin dennoch nicht zum alten Eisen gehören, zeigt das positive Echo aus der Branche. „Erste Rückmeldungen aus ausgezeichneten Betrieben berichten bereits von gesteigerter internationaler Wahrnehmung und einem Zuwachs an qualitätsbewussten Gästen“, so der Spartenobmann.

Text: Barbara Kluibenschädl