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16. Oktober 2025

Zwischen Zahlen und Emotionen

Zwischen Zahlen und Emotionen

Bei Betriebsübergaben im Tourismus geht es um mehr als Kennzahlen und rechtliche Rahmenbedingungen. 
© Shutterstock

Am Thema Betriebsübergabe kommt kein:e Unternehmer:in vorbei: Spätestens zum Ruhestand muss geklärt sein, ob und wie es mit dem Betrieb weitergeht. Wie der Prozess der Übergabe erfolgreich gelingt, ist deshalb auch eines der Themen der VTT-Webinare im heurigen Herbst. Wir haben beim Speaker Markus Tollinger von der Raiffeisen-Landesbank Tirol nachgefragt, worauf er im Webinar „Unternehmensnachfolge im Tourismus aus der Banken-Perspektive“ am 23. Oktober den Schwerpunkt legen wird.

Menschen im Mittelpunkt

Gerade im Tourismus ist das Thema Betriebsübergabe – in Anbetracht der hohen Dichte an familiengeführten Unternehmen – nie ein rein berufliches: Es gehe im Familienbetrieb nicht nur um ein Produkt, sondern um Menschen und ihre verschiedenen Bedürfnisse – und genau das müsse man für eine erfolgreiche Übergabe von Anfang an berücksichtigen, sagt Tollinger. Damit das möglich ist, brauche es Zeit: „Man muss sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigen und sich Klarheit verschaffen.“                                

Das bedeute unter anderem, sich damit auseinanderzusetzen, in welcher Form das Produkt weiterbestehen soll und welche Maßnahmen dafür notwendig sind, sowie gemeinsam zu überlegen, wie das Unternehmen weitergeführt werden soll: „Wir haben oft gut ausgebildete Leute im Unternehmen, die Interesse haben, es weiterzuführen, aber sich nicht vorstellen können, 24 Stunden lang im Betrieb zu stehen und verfügbar zu sein. Da muss man schauen, wie man die unterstützen kann“, sagt Tollinger. Auch Klarheit über die Aufgabenverteilung und die Kompetenzen, die es zu ersetzen gilt, sei notwendig: „Wenn beispielsweise der Seniorchef bisher die Hausmeistertätigkeiten übernommen hat, wie das oft ist, wird man jetzt vermutlich jemanden für diesen Bereich einstellen oder das über einen externen Dienstleister lösen müssen“, erklärt der Experte.       

Unterschiedliche Bedürfnisse    

Nicht zu unterschätzen seien außerdem die Ansprüche und Erwartungen beider Seiten – bei den Übergeber:innen, ob sie wirklich loslassen können oder weiter präsent sein wollen und bei den Übernehmer:innen, wie viel Freiraum sie brauchen. „Der jungen Generation ist es wichtig, auch mal eine Auszeit nehmen zu können“, berichtet Tollinger. Deshalb sehe man inzwischen auch vielfach ein Modell mit zwei Übernehmenden, die sich die Aufgaben teilen und sich damit ermöglichen, Freiräume für Familie und Privatleben zu schaffen.     

Die Freiheit des/der Übernehmenden sei auch ganz generell ein Thema: Wer einen verschuldeten Betrieb übernehme, habe zumindest am Anfang sehr wenig Freiheit, selbst zu gestalten – dafür brauche es einen schuldenfreien Betrieb, was natürlich nicht immer gegeben sei. „Wenn der Übergeber mit 50 überlegt, jetzt noch eine große Investition zu tätigen, für die noch jahrelang ein Kredit abzubezahlen ist, sollte im besten Fall der Übernehmende schon miteinbezogen werden, weil das natürlich auch für ihn Konsequenzen hat“, erklärt Tollinger, warum die frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema für beide Seiten wichtig ist.                                                       

Diese Gespräche seien zum Teil unbequem, weil Menschen sehr gerne einfache, klare Antworten haben wollen: „Ich werde vor Gesprächen immer wieder gefragt, ob ich eh eine Checkliste mitbringe, aber: Die Checkliste, die ich als Bänker habe – um welche Rechtsform handelt es sich, wie sieht es mit der Finanzierung aus etc. –, bringt niemand anderem was. Die erfolgreiche Übergabe im Tourismus beginnt ganz oben, beim Menschen, bei der Leidenschaft, und dafür gibt es keine Checkliste.“

                                                                                                                               

Text: Lisa Schwarzenauer

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