Wie könnte dieses Erleben ausschauen? Generell sehe ich, dass die Eroberung des Berges zu Ende ist und Ruhe einkehrt. Denn die große Frage lautet: Was ist knapp im Leben? Daraus ergeben sich Sehnsüchte nach dem „simple life“ und Träume, die sich so ausdrücken, dass ich länger auf dem Berg bleiben möchte. Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Berges verändert sich – und das erklärt wiederum, warum Alpinhütten heute oft einen besseren Auslastungsgrad haben als die Hotels im Tal.
Woher kommt diese Sehnsucht nach einem einfachen Leben? Die kommt eindeutig von einer immer komplexeren Welt des Alltags. Dadurch werden Gegenwelten erschaffen. Auch die zunehmende Verstädterung trägt dazu bei, immerhin leben heute weltweit rund 75 Prozent der Menschen bereits in Städten. Da sehe ich große Veränderungen, die wir auch in unserem Unternehmen sehr deutlich wahrnehmen.
Ist das eine Frage der Generation? Ich glaube, dass das Thema Sehnsucht und Leben am Berg altersunabhängig ist. Das hat mit dem Alter weniger zu tun, weil die Welt für junge Menschen oft noch komplexer ist als für jene, die das halbe Leben schon hinter sich gebracht haben. Soziale Medien sorgen dafür, dass jede Meldung unmittelbar eine Sensationsmeldung wird – die Welt ist daher unruhig in der Wahrnehmung der Menschen.
Kann Tirol davon profitieren? Ganz sicher, wenn das einfache Leben am Berg Platz im Angebot findet und die Infrastruktur dafür zur Verfügung gestellt wird – nach dem Motto „less stuff, more life“. Das ist eine große Herausforderung. Man muss das sowohl sprachlich als auch angebotsseitig adressieren. Dafür braucht es verstärkt Vorbilder und Mut in der gesamten Produktentwicklung des Bergtourismus – keine alten Konzepte, die fortgeschrieben werden.
Die Frage ist dabei nicht, was braucht es jetzt, sondern wofür werden die Menschen in 20 Jahren ihr Geld ausgeben wollen? Was wird dort zu viel sein und was zu wenig? Wovon es sicher zu wenig geben wird, sind einfache Rückzugsorte, intensive Erlebnisangebote und Held:innen in diesen Kategorien.
Was braucht es also für heimische Tourismusbetriebe, um sich besser positionieren zu können? Es braucht weniger Infrastruktur, dafür bessere Ideen. So wie bei Marken kaufen die Leute nicht nur ein Produkt, sondern eine Idee. Man muss sich die Frage stellen, welche Werte man vermitteln möchte: Wer kann mir eine Möglichkeit geben, am Berg das einfache Leben am eigenen Leib zu spüren? Da geht es weniger um zum Luxus ausgebaute Almhütten als vielmehr um vom Luxus zurückgebaute Rückzugsstätten. Wenn es mehr sein soll, dann muss es besser werden. Am Berg bedeutet das oftmals: Wenn es mehr sein soll, dann muss es einfacher werden. Einfacher auch im Angebot, aber dafür stärker in der Idee.