Im vergangenen Tourismusjahr hatte der Sommer in Tirol einen Nächtigungsanteil von 47 Prozent, der Abstand zum Winter mit 53 Prozent war vergleichsweise gering. Hier gebe es auf jeden Fall Potenzial dafür, dass sich das Verhältnis in Zukunft weiter angleiche, sagt WIFO-Ökonomin Anna Burton. „Dazu müsste man aber in diversen Destinationen das Angebot ausbauen beziehungsweise anpassen, um im Sommer genauso attraktiv zu sein wie im Winter.“ Die Strahlkraft des Winters werde man wahrscheinlich so bald nicht in den Schatten stellen können, aber der Sommer könne ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Destinationen und Betriebe werden, mit dem sich schwächere Winter ausgleichen und der wirtschaftliche Druck in den Spitzenmonaten reduzieren lasse.
Aktuell hapere es vor allem daran, dass es enorm schwierig sei, im Sommer auch nur annähernd so gute Ergebnisse zu erzielen wie in den Wintermonaten, sagt Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der österreichweit tätigen Tourismusberatung Prodinger: „Wir merken sehr stark, dass aktuell viele Betriebe vom Winterergebnis quersubventioniert werden. Und wir sehen immer mehr, dass viele Betriebe in klassischen Zwei-Saisonen-Orten – auch in meiner Heimatstadt Kitzbühel – sich überlegen, im Sommer überhaupt zu schließen, weil der Ertrag nicht so hoch ist, dass man die Kosten kompensieren kann. Das ist ein verheerendes Zeichen.“
Schlüsselfaktor Destination
Für Erfolg auf Betriebsebene brauche es laut Reisenzahn in erster Linie eine starke Destination. „In unseren Analysen sehen wir, dass Destinationen, die sich klar positionieren und mit ihrem Angebot differenzieren, deutlich besser performen – und wenn Destinationen verstanden haben, wie sie sich vom Markt abheben können, geht es auch den Betrieben dort besser.“ Als Beispiele nennt er Serfaus-Fiss-Ladis, wo man sich durch die Fokussierung auf Familien von einer klassischen Wintersport- in eine erfolgreiche Zwei-Saisonen-Region entwickelt habe, und auch das Ötztal, wo man mit dem Schwerpunkt auf Freizeitaktivitäten und Sport ein klares Profil habe, das im Winter wie im Sommer Gäste anziehe.
Dabei sei Kreativität gefragt, betont Burton. „Es ergibt aus wirtschaftlicher Perspektive keinen Sinn, wenn jede Destination auf das Thema Mountainbike setzt, damit wäre man am Ende wieder austauschbar.“ Stattdessen müsse man evaluieren, welche regionalen Besonderheiten und Stärken man nützen könne, um gemeinsam mit allen touristischen Playern ein Angebot zu entwickeln, das in einer bestimmten Form einzigartig ist.
Momentan seien Destinationen häufig zu breit aufgestellt, sagt Reisenzahn. „Destinationen haben oft zu viele Ansprachen, zu viele Programme. Sie wollen es jedem recht machen und haben keine Zuspitzung im Produkt.“ Damit schade man in der Folge den Betrieben, die für alles und jeden da sein sollen und dadurch einem großen Preisdruck ausgesetzt sind. Erschwerend komme hinzu, dass Tirol im Sommer mit sehr vielen Ländern in Konkurrenz sei – und die meisten dieser Mitbewerber hätten den Vorteil, dass Dienstleistungen und damit Mitarbeiter:innenkosten nicht annähernd so teuer sind wie in Österreich.