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04. Juli 2025

Wie lohnt sich Sommer?

Während Tirol rein auf Nächtigungen bezogen bereits eine starke Sommerdestination ist, reichen die wirtschaftlichen Ergebnisse noch bei Weitem nicht an die der Wintermonate heran. Um das zu ändern, braucht es vor allem eine klare Positionierung – auf Betriebs- und Destinationsebene.

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© Tirol Werbung/Heinzlmeier Bert

Im vergangenen Tourismusjahr hatte der Sommer in Tirol einen Nächtigungsanteil von 47 Prozent, der Abstand zum Winter mit 53 Prozent war vergleichsweise gering. Hier gebe es auf jeden Fall Potenzial dafür, dass sich das Verhältnis in Zukunft weiter angleiche, sagt WIFO-Ökonomin Anna Burton. „Dazu müsste man aber in diversen Destinationen das Angebot ausbauen beziehungsweise anpassen, um im Sommer genauso attraktiv zu sein wie im Winter.“ Die Strahlkraft des Winters werde man wahrscheinlich so bald nicht in den Schatten stellen können, aber der Sommer könne ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Destinationen und Betriebe werden, mit dem sich schwächere Winter ausgleichen und der wirtschaftliche Druck in den Spitzenmonaten reduzieren lasse.
Aktuell hapere es vor allem daran, dass es enorm schwierig sei, im Sommer auch nur annähernd so gute Ergebnisse zu erzielen wie in den Wintermonaten, sagt Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der österreichweit tätigen Tourismusberatung Prodinger: „Wir merken sehr stark, dass aktuell viele Betriebe vom Winterergebnis quersubventioniert werden. Und wir sehen immer mehr, dass viele Betriebe in klassischen Zwei-Saisonen-­Orten – auch in meiner Heimatstadt Kitzbühel – sich überlegen, im Sommer überhaupt zu schließen, weil der Ertrag nicht so hoch ist, dass man die Kosten kompensieren kann. Das ist ein verheerendes Zeichen.“

Schlüsselfaktor Destination
Für Erfolg auf Betriebsebene brauche es laut Reisenzahn in erster Linie eine starke Destination. „In unseren Analysen sehen wir, dass Destinationen, die sich klar positionieren und mit ihrem Angebot differenzieren, deutlich besser performen – und wenn Destinationen verstanden haben, wie sie sich vom Markt abheben können, geht es auch den Betrieben dort besser.“ Als Beispiele nennt er Serfaus-Fiss-Ladis, wo man sich durch die Fokussierung auf Familien von einer klassischen Wintersport- in eine erfolgreiche Zwei-Saisonen-Region entwickelt habe, und auch das Ötztal, wo man mit dem Schwerpunkt auf Freizeitaktivitäten und Sport ein klares Profil habe, das im Winter wie im Sommer Gäste anziehe.
Dabei sei Kreativität gefragt, betont Burton. „Es ergibt aus wirtschaftlicher Perspektive keinen Sinn, wenn jede Destination auf das Thema Mountainbike setzt, damit wäre man am Ende wieder austauschbar.“ Stattdessen müsse man evaluieren, welche regionalen Besonderheiten und Stärken man nützen könne, um gemeinsam mit allen touristischen Playern ein Angebot zu entwickeln, das in einer bestimmten Form einzigartig ist.
Momentan seien Destinationen häufig zu breit aufgestellt, sagt Reisenzahn. „Destinationen haben oft zu viele Ansprachen, zu viele Programme. Sie wollen es jedem recht machen und haben keine Zuspitzung im Produkt.“ Damit schade man in der Folge den Betrieben, die für alles und jeden da sein sollen und dadurch einem großen Preisdruck ausgesetzt sind. Erschwerend komme hinzu, dass Tirol im Sommer mit sehr vielen Ländern in Konkurrenz sei – und die meisten dieser Mitbewerber hätten den Vorteil, dass Dienstleistungen und damit Mitarbeiter:innenkosten nicht annähernd so teuer sind wie in Österreich.

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© Alexander Mueller

Zur Person: 
Anna Burton
ist als Ökonomin im Bereich „Regionalökonomie und räumliche Analyse“ am WIFO tätig, wo sie sich unter anderem mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen im regionalen Kontext und regionalen Entwicklungen in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft befasst.

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Der Sommer in Tirol hat großes Potenzial – sofern Destinationen und Betriebe es schaffen, sich mit einem klaren Fokus auf dem Markt zu positionieren.
© Serfaus-Fiss-Ladis Marketing GmbH/Andreas Kirschner

Spezialisierung und Kontrolle
Man habe aber trotzdem auch als Betrieb selbst die Möglichkeit, die eigene Attraktivität und vor allem den wirtschaftlichen Erfolg im Sommer zu stärken. „Auch auf Betriebsebene geht es um das Produkt, um die Spezialisierung“, so der Tourismusberater.  „Betriebe, die sich spezialisieren, kommen viel besser über die Sommermonate.“ Hier gebe es schon spannende Beispiele, die genau das schaffen. Zum einen nennt Reisenzahn die Waldklause in Längenfeld, die sich mit ihrem klaren Fokus auf Ganzheitlichkeit und Sinngebung vom Markt abhebe und damit den gesellschaftlichen Wandel hin zur Sinngesellschaft perfekt aufgreife, zum anderen den Narzenhof in St. Johann in Tirol, wo ein 400 Jahre alter Bauernhof in einen Beherbergungsbetrieb umfunktioniert wurde, der das Bedürfnis nach Authentizität und Ursprünglichkeit mit Wellness und modernem Design  verbinde.
Ebenfalls wichtig: „In weniger nachfragestarken Zeiten muss ich aufpassen, dass ich Betriebswirtschaft und Kostenseite im Griff habe. Es hilft nichts, wenn ich gut im Marketing bin und dann die Zahlen nicht im Auge habe“, betont er. Das bedeute auch, offen dafür zu sein, das gewohnte Produkt laufend zu evaluieren und umzugestalten. Ein aktuelles Beispiel sei, dass sich viele Betriebe aufgrund der veränderten Essgewohnheiten der Gäste von der klassischen Halbpension mit mehrgängigen Abendessen verabschieden müssen: „Das ist ein totaler Umbruch, kann aber auch eine Chance sein zu sagen, ich biete eine kleinere À-la-carte-Karte mit wenigen, hochstandardisierten Gerichten an, die ich auch mit einem kleineren Team zubereiten kann“, erklärt Reisenzahn. Systemküchen und computerunterstützte Lösungen seien in dem Zusammenhang interessante Möglichkeiten, genau wie Roboter in der Zimmerreinigung oder anderen Bereichen. „Man muss ganz generell einfach offen und gewillt sein, Dinge anders zu denken.“

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Die Waldklause bedient die Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit.
© andre schoenherr

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© Prodinger Steuerberatung

Zur Person: 
Thomas Reisenzahn
ist Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung, die neben ihrem klassischen Beratungsangebot unter anderem auch Branchenevents wie den Alpine Hospitality Summit organisiert.


Wie messen Destinationen ihren Erfolg?

Neben den klassischen Kennzahlen Nächtigungen, Ankünfte und Aufenthaltsdauer – die aber Tagesgäste außer Acht lassen – stehen Destinationen laut Anna Burton eine Reihe anderer Indikatoren zur Verfügung, mit denen sie ihren Erfolg messen können. Für eine Einschätzung des wirtschaftlichen Erfolgs können Ortstaxen, Tourismusabgaben oder – wie in Wien – Hotelpreise herangezogen werden, eine Einschätzung zu Tagesgästen könne man über Ticketverkäufe bei Parkplätzen, Seilbahnen oder Öffis bekommen. Sie empfiehlt aber, den Fokus nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit zu legen, sondern Erfolg ganzheitlicher zu betrachten.
Die quartalsmäßig von der Statistik Austria erhobene Tourismusakzeptanz, die Tourismusintensität und Nachhaltigkeitsindikatoren wie das Müllaufkommen, der Wasserverbrauch und die Verkehrsbelastung könnten beispielsweise wichtige Erkenntnisse liefern, anhand derer man als Destination konkrete Maßnahmen für eine höhere Akzeptanz und Verträglichkeit des Tourismus ableiten könne – denn ohne die Zustimmung der Bevölkerung könne es keinen erfolgreichen Tourismus geben.

Text: Lisa Schwarzenauer

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